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FREYSCHMIDT - FRINGS - PANANIS - VENN - Verteidiger in Strafsachen

BGH: Falsche Angaben bei Antrag auf Corona-Soforthilfen strafbar als Subventionsbetrug

18.05.2021

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 04.05.2021 (6 StR 137/21) ein Urteil des LG Stade (600 KLs 7/20) bestätigt, das einen Mann wegen betrügerischer Erlangung von 50.000 EUR an sog. „Corona-Soforthilfen“ wegen Subventionsbetrugs gem. § 264 StGB, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt hatte. Im Zeitraum vom 29. März bis 1. Mai 2020 soll der Mann in vier Bundesländern (Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen) in insgesamt sieben Fällen für tatsächlich nicht existierende Kleingewerbe sog. Corona-Hilfen aus den Soforthilfeprogrammen des Bundes („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) und der Bundesländer erlangt haben. In drei Fällen nutzte er fremde Personendaten. In vier Fällen kamen die beantragten Gelder iHv insgesamt 50.000 EUR zur Auszahlung.

Zur Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs gem. § 264 StGB führt der „neue“ 6. Strafsenat des BGH aus:

  • Bei den beantragten Soforthilfen handelt es sich um Subventionen gemäß § 264 Abs. 8 Satz 1 StGB, die als sog. verlorene Zuschüsse ohne eine marktmäßige Gegenleistung von den Ländern aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht (hier aufgrund der Haushaltsgesetze § 44 BHO i.V.m. § 23 BHO bzw. § 53 der HO der Länder) Betrieben und Unternehmen gewährt werden und jedenfalls auch der Förderung der Wirtschaft dienen.
  • Unrichtige Anträge auf Erlangung von Corona-Soforthilfen sind gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den zuständigen Behörden oder eingeschalteten Stellen oder Personen (Subventionsgeber) für den Antragsteller vorteilhafte unrichtige Angaben über aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnete Tatsachen (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB).
  • Das Merkmal der Subventionserheblichkeit gem. § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass die Tatsachen durch ein Gesetz oder durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet werden. Da die „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ und die zur Umsetzung erlassenen Richtlinien der Länder keine Gesetze im formellen oder materiellen Sinne sind und Haushaltsgesetze jedenfalls keine ausdrückliche Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen enthalten, kommt nur deren Bezeichnung durch den jeweiligen Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes - hier § 2 SubvG i.V.m. den Subventionsgesetzen der Länder - in Betracht. Pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen reichen dabei nicht aus; vielmehr muss die Subventionserheblichkeit klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden.
  • Selbst wenn die subventionserheblichen Tatsachen nicht einzeln als solche benannt werden (wie im Antragsformular in NRW und BW), erfordert die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen iSd § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB keine wörtliche Wiederholung, sondern kann sich auch aus einer präzisen Verweisung ergeben (hier durch ein zu setzendes Kreuz). Da nur einige und zudem fast ausschließlich erhebliche Tatsachen abgefragt werden, wird die umfangreiche Verweisung nicht zu einem grundsätzlich unzulässigen pauschalen oder lediglich formelhaften Hinweis, zumal sie sich nur auf im Antragsformular selbst enthaltene Angaben bezieht.
  • Einer wirksamen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen durch den Subventionsgeber steht auch nicht entgegen, dass diese ausschließlich in einer vom Subventionsempfänger anzukreuzenden Wissenserklärung aufgeführt werden. Dies führt nicht dazu, dass der Subventionsnehmer selbst über die Subventionserheblichkeit der Tatsache entscheidet. Vielmehr handelt es sich nach Ansicht des BGH um eine nach Sinn und Zweck zulässige Gestaltungsmöglichkeit, welche die Kenntnisnahme des Subventionsnehmers nachweist.
  • Auch der Hinweis im Antragsformular, dass „alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärung) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB sind“, genügt den Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB (a.A. LG Hamburg, NJW 2021, 707, 710). Dieser Hinweis sorge, so der BGH, bei dem Subventionsnehmer für die nötige Klarheit über die subventionserheblichen Tatsachen. Sein Augenmerk werde hinreichend präzise auf die Bedeutung aller abgefragten Angaben gelenkt. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob dieser Hinweis eine für § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB (bislang) erforderliche „ klare und unmissverständliche, auf den konkreten Fall bezogene Angabe“ ist (vgl. BGH, NJW 1999, 1196). Der 6. Senat erkennt hier jedoch keinen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Anders als in den bisher in der Rechtsprechung entschiedenen Konstellationen unzulässiger pauschaler und lediglich formelhafter Verweisungen, bei denen in der Regel lediglich der Wortlaut von § 264 Abs. 9 StGB oder § 2 SubvG wiederholt oder auf den Antrag nebst umfangreichen Anlagen, Gesprächsprotokolle, Finanzierungspläne und Bewilligungsbescheide Bezug genommen wurde, bleibe es hier aufgrund des Formulars nicht dem Antragsteller bzw. Subventionsnehmer überlassen, sich Klarheit über die maßgebenden Tatsachen und Angaben zu verschaffen.
  • Das Ausnutzen eines Soforthilfeverfahrens in einer deutschlandweiten Notlage, die mehrfach und in verschiedenen Bundesländern gestellten Anträge und der Gesamtumfang der unberechtigt erlangten Unterstützungsleistungen von 50.000 Euro kann einen unbenannten schweren Fall nach § 264 Abs. 2 S. 2 StGB begründen.

Der 6. Strafsenat war offensichtlich darum bemüht, die Strafbarkeit des medienwirksam gerne (vor-)verurteilten „Corona-Betrugs“ nicht an dogmatischen Feinheiten zur Frage der „Subvention nach Bundes- oder Landesrecht“ oder der „subventionserheblichen Tatsache“ i.S.d. § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB scheitern zu lassen. Die gewählten Formulierungen in den Antragsformularen sollten auch weiterhin einer kritischen Prüfung im Einzelfall unterzogen werden, begründen sie doch für jeden Antragsteller ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko. Dies gilt umso mehr, weil nach § 264 Abs. 5 StGB selbst leichtfertige Falschangaben strafrechtlich geahndet werden können.

Rechtsanwalt Johannes Lamsfuß, LL.M.