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FREYSCHMIDT - FRINGS - PANANIS - VENN - Verteidiger in Strafsachen

Bundesrat sieht Änderungsnotwendigkeiten bei dem Entwurf der Bundesregierung für ein Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E)

18.09.2020

Der Bundesrat hat sich in seiner 993. Sitzung am 18. September 2020 mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft (Verbandssanktionengesetz, VerSanG) befasst. Auch wenn das hinter dem Gesetzentwurf stehende Bestreben der Bundesregierung, die Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen, begrüßt wird, sieht der Bundesrat teilweise erheblichen Änderungsbedarf. Einige wesentliche Punkte aus der Stellungnahme des Bundesrats seien hier vorgestellt:

Unangetastet lässt der Bundesrat die vielfach kritisierte Regelung des § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E. Die Vorschrift sieht eine Milderung der Sanktion nur dann vor, wenn die bei den verbandsinternen Untersuchungen handelnden Personen nicht Verteidiger des Verbandes oder eines Beschuldigten sind, dessen Verbandstat dem Sanktionsverfahren zugrunde liegt.

Der Bundesrat hält zudem an dem im Entwurf des VerSanG verankerten Legalitätsprinzip fest. Die Strafverfolgungsbehörden sind demnach verpflichtet, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren wegen einer Verbandstat einzuleiten. Allerdings hält der Bundesrat die im VerSanG-E vorgesehen Einstellungsmöglichkeiten insbesondere für Fälle, in denen kein anerkanntes Bedürfnis für ein Sanktionenverfahren besteht, für unzureichend. Insbesondere muss aus Sicht des Bundesrats von der Durchführung eines Sanktionsverfahrens abgesehen werden können, wenn die Verbandstat zwar nicht geringfügig ist, die Verantwortlichkeit des Verbandes aber neben dem Individualverschulden nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder der Verband sonst für die Verbandstat keine eigenständige Bedeutung hat (z.B. bei faktischer wirtschaftlicher und personeller Identität wie bei Ein-Personen-Kapitalgesellschaften). Damit regt die Länderkammer an, Elemente des Opportunitätsprinzips zu übernehmen, wonach die Ermittlungsbehörden – wie im Ordnungswidrigkeitenrecht, das nach geltendem Recht in § 30 OWiG die Möglichkeit der Verhängung einer Verbandsgeldbuße vorsieht – nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob Ermittlungen aufgenommen werden. 

Ablehnend äußert sich der Bundesrat zu § 3 Abs. 2 Nr. 3 VerSanG-E. Danach soll es zur Begründung einer Verbandssanktion ausreichen, wenn eine Leitungsperson des Verbandes die begangene Straftat durch angemessene und objektiv pflichtwidrig unterlassene Compliancemaßnahmen hätte verhindern oder wesentlich erschweren können. Nach der Regelung solle es nicht darauf ankommen, ob die Compliancemaßnahmen schuldhaft unterlassen wurden. Dies sei jedoch - so der Bundesrat - wegen des verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzips, das auch auf juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften Anwendung findet, geboten. Das Unterlassen geeigneter Vorkehrungen durch Leitungspersonen des Unternehmens müsse daher fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sein.

Ebenso lehnt der Bundesrat die Regelung des § 14 VerSanG-E ab, der dem Gericht die Möglichkeit gibt, bei einer großen Zahl von Geschädigten die Veröffentlichung der Verurteilung des Verbandes anzuordnen. Die Regelung sei weder erforderlich noch praktikabel. Mit ihr sei – auch wenn sie den Informationsinteressen der betroffenen Verbraucher dienen soll – faktisch eine „Prangerwirkung“ verbunden. Damit können für das Unternehmen einschneidende Folgen einhergehen.

Der Bundesrat geht mit seiner Kritik sogar noch weiter: Da § 18 VerSanG-E ein Absehen von der Veröffentlichung der Verurteilung vorschreibt, wenn der Verband durch eine nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 VerSanG-E umfassende verbandsinterne Untersuchung selbst zur Aufklärung beigetragen hat, erscheint das Informationsinteresse der Verbraucher, das durch interne Untersuchungen nicht berührt ist, lediglich als Feigenblatt. Aus Sicht des Bundesrates liege daher nahe, dass die von einer Veröffentlichung ausgehende Prangerwirkung gezielt zur Abschreckung eingesetzt werden soll. 

Abschließend hält der Bundesrat eine Übergangsfrist von drei statt zwei Jahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes für notwendig. Der Gesetzentwurf erfordere die Entwicklung und Anpassung interner Compliance- und Organisationsprozesse, mit denen bei einer zweijährigen Übergangsfrist bereits jetzt begonnen werden müsste. Gerade in der kritischen Zeit der Corona-Pandemie seien vor allem kleine und mittlere Unternehmen erheblichen Belastungen ausgesetzt.

Rechtsanwalt Stephan Fink