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Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisiert steuerstrafrechtliche Gesetzesänderung durch die Hintertür beim Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz

19.06.2020

Die Ausschüsse Strafprozessrecht und Steuerrecht haben eine Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) erarbeitet. Darin kritisieren sie zwei grundlegende Änderungen in der Abgabenordnung (AO), bei denen der Eindruck entstehe, dass sie im Rahmen des Gesetzes versteckt und im Zuge der äußerst eiligen Corona-Maßnahmen möglichst unbemerkt mit durchgedrückt werden sollen.

Die Bundesregierung beabsichtigt die Einführung eines § 376 Absatz 3 und 4 AO. Gemäß § 376 Absatz 3 AO soll die Grenze der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung bei den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 AO genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung auf das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert werden. Die geplante Neuregelung sieht damit eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung des § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches (StGB) vor, wonach die absolute Verjährung das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist beträgt. Die vorgeschlagene Neuregelung führt damit zu einer absoluten Verjährungsfrist in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung von 25 Jahren.

Die gesetzliche Verjährungsfrist von 10 Jahren für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung wird nicht geändert. Sind nach Eintritt des Hinterziehungserfolgs 10 Jahre verstrichen, ohne dass die Verjährung durch eine der in § 78c Absatz 1 StGB genannten Maßnahmen unterbrochen wurde, kann die Tat wegen des Verfahrenshindernisses der Strafverfolgungsverjährung nicht mehr verfolgt werden.

Mit der Regelung des § 376 Absatz 4 AO, der für die Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung § 78b Absatz 4 StGB für anwendbar erklärt, ist eine weitere Verschärfung der Regelungen zur Strafverfolgungsverjährung geplant. Durch die Anwendung von § 78b Absatz 4 StGB, wonach die Verjährung für besonders schwere Fälle mit einem Strafmaß von mehr als fünf Jahren ruht, sobald das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet ist, kann sich der Verjährungseintritt um weitere fünf Jahre verschieben. Dies hat zur Folge, dass die Verjährung erst 30 Jahre nach Eintritt des Steuerhinterziehungserfolgs eintreten kann.

Die BRAK kritisiert in ihrer Stellungnahme unter anderem, dass die geplanten Neuregelungen keinen Zusammenhang mit der Corona-Krise aufweisen und eine Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei. Vielmehr habe der Bundesfinanzminister die Neuregelungen damit begründet, den Ermittlungsbehörden in zahlreichen Cum-/Ex-Verfahren mehr Zeit für Ermittlungen zu verschaffen. Abgesehen davon, dass die Schaffung eines allgemeinen Gesetzes aus Anlass eines konkreten Sachverhalts kritikwürdig sei, würde die allein fiskalischen Interessen folgende Gesetzesänderung dazu führen, dass besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung später verjähren würden, als ein Totschlag.

Des Weiteren soll ein neuer § 375a AO eingeführt werden. Danach sollen auch verjährte Steuerforderungen oder darauf entfallene Zinsen gemäß § 73 StGB eingezogen werden können. Zwar sei die Einziehung auch bei verjährten zivilrechtlichen Ansprüchen möglich. Ob dies auch bei steuerlichen Forderungen gelten müsse, sei jedoch – so die Stellungnahme der BRAK – fraglich und rechtssystematisch nicht erforderlich. Zudem bestehe auch bei dieser geplanten Regelung kein Zusammenhang mit der Corona-Krise.

Rechtsanwalt Stephan Fink