FREYSCHMIDT - FRINGS - PANANIS - VENN
FREYSCHMIDT - FRINGS - PANANIS - VENN - Verteidiger in Strafsachen

Die Europäische Staatsanwaltschaft kämpft mit Startschwierigkeiten

20.10.2020

Im November sollte die neu gegründete Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) (endlich) ihre Arbeit in Luxemburg aufnehmen und damit beginnen, Straftaten zu Lasten des EU-Haushalts zu ermitteln. Nachdem am 28. September 2020 die 22 sog. Europäischen Staatsanwälte vom Rat der europäischen Union feierlich ernannt wurden – deutsches Mitglied ist Herr Andrés Ritter – , scheint die neu gegründete EU-Behörde aber noch vor praktischen Problemen zu stehen. Der Start der Ermittlungstätigkeit stockt. Wie die F.A.Z. am 14. Oktober 2020 in ihrer Printausgabe berichtet, seien nach Angaben der Behördenleiterin, der Europäischen Generalstaatsanwältin aus Rumänien, Frau Laura Codru?a Kövesi, derzeit noch Dutzende Stellen unbesetzt. Für das Budget 2021 fehle ein Betrag i.H.v. 17 Millionen Euro. Auch der zuständige EU-Kommissar für Justiz, Didier Reynolds, unterstrich kürzlich bei seinem Besuch des EPPO in Luxemburg in einer Rede, dass die Kommission den Mitgliedstaaten vorgeschlagen habe, das Budget der EUStA für 2021 zu erhöhen. Außerdem betonte Kommissar Reynolds, es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten die nationalen Auswahlverfahren zur Besetzung der sog. delegierten Staatsanwälte zügig abschließen. Zwar sind für die Europäische Staatsanwaltschaft bereits deren Generalstaatsanwältin und die 22 Europäischen Staatsanwälte ernannt worden. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen aber nur beaufsichtigen und gemeinsam mit der Europäischen Generalstaatsanwältin das Kollegium der EUStA bilden. Mit ihrer Arbeit kann die EUStA faktisch aber erst beginnen, wenn auch die 140 Delegierten Staatsanwälte bestellt sind, weil diese auf nationaler Ebene für die Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zuständig sein werden (sog. zweistufiger Aufbau der EUStA). In jedem Mitgliedstaat, der sich an der EUStA beteiligt, werden mindestens zwei Delegierte Europäische Staatsanwälte tätig sein. Gegenwärtig sind aber noch nicht alle Delegierten Staatsanwälte in den Mitgliedstaaten ernannt

Die EUStA soll als unabhängige Behörde der EU für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung in Bezug auf Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union (beispielsweise Betrug, Korruption, grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug von mehr als 10 Mio. Euro) zuständig sein. Erstmals führt eine europäische Behörde auf dem Gebiet des Strafrechts eigenständig (grenzüberschreitende) Ermittlungen durch, ergreift Strafverfolgungsmaßnahmen und nimmt vor den zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr.

Die EUStA wurde durch die Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), die am 20. November 2017 in Kraft trat, gegründet, und soll zum Ende des Jahres 2020 ihre operative Arbeit aufnehmen.

Derzeit beteiligen sich 22 Mitgliedstaaten an der EUStA (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, die Slowakei, Spanien, die Tschechische Republik und Zypern).

Rechtsanwalt Johannes Lamsfuß, LL.M.