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FREYSCHMIDT - FRINGS - PANANIS - VENN - Verteidiger in Strafsachen

Keine Rechtsnachfolge von Untersuchungsausschüssen - „Wambach-Berichte“ bleiben „GEHEIM“ (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - StB 34/21)

22.12.2021

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 wies der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die Beschwerde betreffend die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades von Beweismitteln des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages i.S. „Wirecard“ als unzulässig ab. Damit entschied der Senat in der bislang ungeklärten Rechtsfrage der Rechtsnachfolge von Untersuchungsausschüssen, die auch zukünftig von nicht unerheblicher Bedeutung sein wird.

Die Beschwerde richtete sich gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters beim BGH vom 6. August 2021. Ziel des beschiedenen Antrages war die umfassende Einsicht der Abgeordneten in mehreren Berichten dokumentierte Sonderprüfung des Kölner Wirtschaftsprüfers Martin Wambach zur Arbeit von Wirecards langjährigem Abschlussprüfer EY. Jene Berichte waren weitestgehend als geheim eingestuft worden und daher nur in geschwärzter Form zugänglich.

Mit dem ursprünglichen Beschluss lehnte der BGH den Antrag des Untersuchungsausschusses vom 24. Juni 2021 ab, die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades „Geheim“ in Bezug auf die dem Untersuchungsausschuss übergebenen und in den sog. Wambach-Berichten verwerteten Beweismittel für zulässig zu erklären (BGH, Beschluss vom 6. August 2021 - 1 BGs 340/21). Grund der Ablehnung waren angesichts der formalen Beendigung des Untersuchungsausschusses durch die Beschlussfassung und Übermittlung des Abschlussberichts an das Parlament die mangelnde Rechtsnachfolge des Untersuchungsausschusses durch den Deutschen Bundestag. Der BGH hatte erkannt, dass der Deutsche Bundestag zwar Herr über das „Ob“ und das „Inwieweit“ einer Untersuchung ist, sich allerdings nicht selbst als Untersuchungsausschuss einsetzen und erst recht nicht selbst als ein solcher handeln kann. Letztlich hatte der BGH auch das Fortbestehen einer ursprünglich bestehenden Antragsberechtigung des Untersuchungsausschusses über den 24. Juni 2021, d.h. über deren Beendigung hinaus, abgelehnt.

Der nunmehr ergangene Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2021 bestätigt dieses Ergebnis: Ausweislich der Pressemitteilung des BGH lehnt der 3. Strafsenat die Beteiligungsfähigkeit des Untersuchungsausschusses im Rahmen der Einlegung des Rechtsmittels ab. Der Senat hebt hervor, dass der Deutsche Bundestag ­ vertreten durch dessen Präsidenten­ weder Rechtsnachfolger des Untersuchungsausschusses noch sonst befugt ist, dessen Rechte als Beschwerdeführer wahrzunehmen.

Damit stellt der Senat klar, dass die eindeutige rechtliche Trennung des Parlamentes und der von ihm einberufenen Untersuchungsausschüsse, die in ihrer Arbeit strikt dem PUAG (Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutsches Bundestages - Untersuchungsausschussgesetz) unterworfen sind, nicht durch die formale Beendigung des Ausschusses aufgehoben wird. Durch die Entscheidung verhindert der Senat auch die Entstehung eines potenziellen Schlupflochs in Konstellationen einer bewussten Beschwerdeeinlegung nach Beendigung des Ausschusses.

Da der Senatsbeschluss bislang nicht in schriftlicher Form der Datenbank des BGH zu entnehmen ist, bleibt überdies einem zweiten Blick vorbehalten, auf welchen konkreten Zeitpunkt der BGH zur Bewertung der Beteiligungsfähigkeit des Untersuchungsausschusses abstellt und welche gegebenenfalls weiteren Erwägungen der Entscheidung zu Grunde liegen.

Rechtsanwältin Celina Serbest