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FREYSCHMIDT - FRINGS - PANANIS - VENN - Verteidiger in Strafsachen

Scharfe Kritik des DAV an dem Referentenwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften.

22.11.2020

Der nun vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften gibt dem Deutschen Anwaltverein (DAV) Anlass zu einigen Bemerkungen. So wird insbesondere hervorgehoben, dass die einzige Tendenz, die sich aus den Reformen der letzten Jahre ergebe, die ständige Ausweitung von Eingriffsbefugnissen unter Beschränkung von Beschuldigtenrechten sei. An dieser Stelle wird exemplarisch die erneute Änderung des Einziehungsrechts genannt.

§ 375a AO, der erst am 1. Juli 2020 ins Gesetz gekommen ist, soll durch Art. 15 nun wieder aufgehoben werden. Parallel dazu soll eine nicht nur auf das Steuerrecht beschränkte, im Übrigen inhaltlich identische Regelung in § 73e Abs. 1 StGB aufgenommen werden, nach welcher auch verjährte Ansprüche – aller Art – nunmehr Gegenstand der Einziehung sein können. Zudem wird, wenn der Referentenentwurf Gesetz wird, durch Art. 12 des Entwurfs der Art. 316h EGStGB dergestalt geändert, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über eine Straftat durch das Gericht immer die aktuelle Version des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift können Ansprüche, die nur aufgrund der Verjährung erlöschen, dennoch Gegenstand der Einziehung sein. Damit wird von dem Meistbegünstigungsgebot des § 2 Abs. 1 und 5 StGB abgewichen. Folglich können auch bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits steuerlich verjährte Forderungen eingezogen werden.

Der DAV kritisiert zutreffend, dass soweit in der Übergangsregelung des Art. 316h EGStGB angeordnet wird, dass – entgegen der vorangegangenen Gesetzeslage – bei der Anordnung der Einziehung auch bereits steuerlich verjährte Steuerforderungen Gegenstand der Einziehung sein können, dies eine verfassungswidrige Rückwirkung darstelle.

Hierbei kann der DAV auf die Begründung des Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs verweisen (BGH, Beschl. v. 7. März 2019 – 3 StR 192/18), welcher bei einem vergleichbaren Sachverhalt in Bezug auf Art. 316h EGStGB seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen darauf stützt, dass die im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletzt sind.

Zudem hat der EGMR bereits mehrfach auch Vermögenseinziehungen, die nach nationalem Rechtsverständnis nicht als Strafen angesehen worden waren, nach diesem Grundsatz als Strafen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK bewertet und eine Verletzung dieses Konventionsrechts angenommen.

Es überzeugt daher, wenn der DAV zu dem  Fazit gelangt, die Übergangsregelung sei rechts- und verfassungswidrig.

Die vollständige Stellungnahme des DRV finden Sie hier.

Rechtsanwalt Andreas Rohland