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Überarbeitete OLAF-Verordnung regelt die Zusammenarbeit mit der EuStA, verleiht OLAF neue Ermittlungsbefugnisse und stärkt (ein wenig) die Betroffenenrechte

21.01.2021

Das Europäische Parlament hat am 17. Dezember 2020 eine veränderte Fassung der sog. OLAF-Verordnung (EU VO Nr. 883/2013) angenommen, durch die die künftige Zusammenarbeit des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA, EU VO 2017/1939) geregelt, die Ermittlungsbefugnisse des OLAF ausgeweitet und die Betroffenenrechte gestärkt werden (EU VO 2020/2223 vom 23. Dezember 2020 zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013).

Das OLAF und die EUStA sollen sich künftig beim Schutz der finanziellen Interessen des EU-Haushalts ergänzen. Während sich die EUStA, die lt. EU Kommission erst „Anfang 2021“ und zunächst nur in 22 der 27 Mitgliedstaaten überhaupt ihre Arbeit aufnehmen wird, auf die Strafermittlungen und Strafverfolgung konzentriert, soll das OLAF weiterhin ein Verwaltungsorgan bleiben, das verwaltungsrechtliche Untersuchungen durchführt, die zu finanziellen, administrativen, disziplinarrechtlichen und justiziellen Empfehlungen führen können. Sobald ein Sachverhalt auch strafrechtliche Elemente beinhaltet, soll die Untersuchung an die EUStA abgegeben werden, die die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Beteiligten ermitteln soll. Parallele Ermittlungen und doppelte Untersuchungen sollen – das ist eines der Hauptziele der Neufassung – durch enge Verpflichtungen zur wechselseitigen Berichterstattung vermieden werden. In der Zukunft wird sich das OLAF also – in den 22 Mitgliedstaaten, die an der EUStA beteiligt sind –  auf finanzielle und administrative Empfehlungen sowie – in Fällen, die EU-Bedienstete betreffen – auf Disziplinarempfehlungen konzentrieren, die auf die Wiedereinziehung von auf betrügerische Weise erlangten EU-Mitteln abzielen.

Neben dem Hauptanliegen, die Zusammenarbeit des OLAF mit der EUStA legislativ abzusichern, sollen durch die Neufassung der OLAF-Verordnung zudem die Ermittlungen des OLAF wirksamer und Betroffenenrechte stärker gewahrt werden. Darauf hatte die EU Kommission aufgrund einer Evaluierung der bisherigen OLAF-Verordnung gedrängt. Die Vorschriften für Vor-Ort-Kontrollen und –Überprüfungen, die bislang auf unterschiedliche Rechtsinstrumente verteilt waren, werden gestrafft und sollen nun allein dem Unionsrecht unterliegen. Nationales Recht findet nur (noch) dann Anwendung, wenn sich der Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle und Überprüfung vor Ort widersetzt und die Unterstützung der zuständigen nationalen Behörden erforderlich ist. Zudem erhält das OLAF in weiterem Umfang als bisher Zugriff auf Kontoinformationen. Die Befugnisse des OLAF sollen sich hier nun nach den jeweils geltenden Befugnissen der nationalen Ermittlungsbehörde richten.

Erfreulich ist, dass in der (europäischen) Euphorie um die EUStA und die Neuordnung des OLAF die Rechte der Betroffenen wenigstens kurz bedacht wurden. Bestehende Defizite bei der Gewährung angemessenen Rechtsschutzes gegen eine OLAF-Untersuchung sollen – jedenfalls in der Theorie – gestärkt werden. Die Verordnung sieht zu diesem Zweck einen unabhängigen Beauftragten für die Kontrolle der Verfahrensgarantien vor, der verwaltungstechnisch dem OLAF-Überwachungsausschuss untersteht. Auf Beschwerde eines Betroffenen über die Einhaltung der Verfahrensgarantien und der für Untersuchungen geltenden Vorschriften soll der Kontrollbeauftragte tätig werden. Der Generaldirektor des OLAF muss der Empfehlung des Beauftragten aber nicht folgen; die Ermittlungen sollen derweil fortgeführt werden.

Die wichtigste Neuregelung aus Sicht des Betroffenen ist wohl, dass die von einer Untersuchung betroffene Person nach der neuen Verordnung in Fällen, in denen das Amt justizielle Empfehlungen ausspricht, unter bestimmten Bedingungen Zugang zu den Schlussfolgerungen der Untersuchungen des OLAF erlangen kann (vgl. Art. 10 Abs. 3b EU VO 883/2013) – das war bislang nicht der Fall, was regelmäßig kritisiert wurde. Einem Anspruch auf Akteneinsicht, wie man ihn aus dem nationalen Recht selbstverständlich kennt, kommt der Unionsgesetzgeber damit wenigstens ein kleines Stück näher.

Weitere Details: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_2437

Rechtsanwalt Johannes Lamsfuß, LL.M.