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Bankenuntreue mal anders?

06.12.2021

Bankkunden haben gegenüber ihrer Bank keine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB. Sie kommen folglich nicht als Täter einer Untreue zu Lasten ihrer Bank in Betracht. Denn § 266 Abs. 1 StGB ist ein Sonderdelikt; nur wer über das Vermögen eines anderen verfügen kann und die besonders herausgehobene Pflicht hat, dessen Vermögensinteressen zu betreuen, kann sich wegen Untreue strafbar machen.

Was wie eine Binsenweisheit – nachzulesen in jedem StGB-Kommentar – erscheint, ist offenbar so selbstverständlich nicht: Die Justiz in Sachsen-Anhalt hatte sich jüngst in drei Instanzen mit dieser (an sich einfachen) Rechtsfrage auseinanderzusetzen. Erst die von FFPV geführte Revision führte mit Beschluss des OLG Naumburg vom 19. Oktober 2021 – 1 Rv 152/21 – zur Korrektur der Berufungsentscheidung des Landgerichts Magdeburg, mit der die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue zu Lasten seiner Bank durch das Amtsgericht Magdeburg bestätigt worden war.

Das Landgericht und das Amtsgericht waren der Auffassung, der Angeklagte habe als Geschäftsführer der Darlehensnehmerin, einer GmbH, eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der darlehensgewährenden Bank gehabt. Dies folge aus der im Kreditvertrag vorgesehenen Verpflichtung der Darlehensnehmerin, das Finanzamt anzuweisen, eine erwartete Investitionszulage nicht an sie, sondern an die kreditgewährende Bank zum Zweck der vorzeitigen Tilgung des Darlehens auszuzahlen. Dieser Verpflichtung kam der Angeklagte nicht nach; die Bank fiel nach der Insolvenz der Darlehensnehmerin mit ihrer Forderung aus.

Zugegeben: Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach – jeweils nicht tragend – erwogen, dass der Darlehensnehmer bei der Einbeziehung auftragsähnlicher Elemente in den Darlehensvertrag ausnahmsweise gegenüber dem Darlehensgeber vermögensbetreuungspflichtig sein könnte. Erforderlich sei hierfür aber, dass das Vertragsverhältnis in Teilen Geschäftsbesorgungscharakter hat und die dadurch festgelegte Verpflichtung zur fremdnützigen Vermögenssorge einen wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmacht und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BGH, NStZ 1989, 72 (73); NStZ 2020, 35 (36)). Dies komme, so der BGH, regelmäßig nur dann in Betracht, wenn sich die besondere Zweckbindung auf eine bestimmte Verwendung der Darlehensvaluta bezieht und die hierdurch geschützten Interessen des Darlehensnehmers im Mittelpunkt des Darlehensvertrages stehen (BGH, NJW 2018, 1486 (1488); NStZ 2020, 35 (36)). Dies soll dann Fall sein, wenn der Darlehensgeber mit der Kreditgewährung einen über die Zahlung von Zins und Tilgung hinausgehenden Zweck verfolgt, etwa bei der Gewährung eines Brauereidarlehens zur Investition in eine anschließend durch den Darlehensgeber zu beliefernde Gaststätte (vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1969, 534).

Vorliegend betraf die auftragsähnliche Verpflichtung des Bankkunden aber gerade nicht die Verwendung der Darlehensvaluta, sondern den Einsatz von Mitteln, die nach dem Kreditvertrag zur Rückführung des Darlehens vorgesehen waren, nämlich die erwartete Investitionszulage. Die Rückzahlung des Darlehens ist die den Typus des Darlehensvertrages prägende Hauptpflicht des Darlehensnehmers, § 488 Abs. 2 S. 2 BGB. Nur um diese, jedem Darlehensnehmer obliegende Primärpflicht, die Darlehensvaluta zurückzuzahlen, ging es vorliegend bei der Verpflichtung der Darlehensnehmerin, dafür Sorge zu tragen, dass das Finanzamt die Investitionszulage direkt an die kreditgewährende Bank auskehrt. Mit weiteren – über das bei jedem Darlehensgeber ohnehin per se bestehende Interesse an der Rückzahlung hinaus gehenden – fremdnützigen Vermögensinteressen war die Darlehensnehmerin dagegen nicht betraut. Der Angeklagte hatte, so das OLG Naumburg zutreffend, nicht für, sondern an die Bank zu leisten. Eine Vermögensbetreuungspflicht oblag ihm daher nicht.

Fast hätte das Landgericht Magdeburg Rechtsgeschichte geschrieben. So hat aber das OLG Naumburg verhindert, dass es zu der wohl ersten rechtskräftigen Verurteilung eines Bankkunden wegen Untreue zu Lasten seiner Bank gekommen ist. Recht so!

Rechtsanwalt Nikolai Venn